Lesung: Matthias Kohm – Ewig braucht doch keiner


Donnerstag, 27. April 2023 um 19.30 Uhr

Der Eintritt ist frei!
Sie sind herzlich eingeladen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tischlerlehrling Meyer hat eigentlich keine Ahnung vom Schreiben und doch erzählt er uns, wie es dazu kam, dass sechs Jugendliche in einer Krebs-Reha plötzlich beschlossen, eine neue Religion zu gründen. Es musste etwas her, dass ihnen die Angst vor dem kalten Grauen nimmt. Zwischen gesund werden und philosophieren badete Meyer nackt – und ohne Mütze – im Reha-Pool, half Freund Adrian beim Predigen auf S-Bahn Sitzen, verliebte sich Hals über Kopf in Johanna und wurde unfreiwillig zum Redner auf gleich zwei Beerdigungen …

Ewig braucht doch keiner ist der erste veröffentliche Roman von Matthias Kohm, einem 64-jährigen Klavierlehrer aus Berlin. Er hat das Buch seinen fünf Enkelkindern gewidmet. Der Roman wurde mit dem Oldenburger Jugendbuchpreis ausgezeichnet und steht auf der Longlist des Wi(e)derworte-Preises der Stadt Mohnheim.

LESEPROBE:

„Wer will denn schon ewig leben?
Ewig braucht doch keiner! 1000 Jahre oder 10.000, das würde doch genügen. Du kannst auch 100.000 nehmen, auf die genaue Zahl kommt es gar nicht an, nur 20 oder 80 Jahre sind definitiv zu wenig. Wenn du denkst, nach zwanzig Jahren ist alles vorbei, dann kriegst du das kalte Grauen und das kalte Grauen ist doch das Schlimmste, was du dir vorstellen kannst. Stimmt doch, oder?“
Wir alle nickten, nickten und sagten nichts, weil was willst du schon sagen, wenn etwas einfach nur stimmt?
Das kalte Grauen ist das Schlimmste, was dich überfallen kann. Und wir alle hatten unsere Erfahrungen damit gemacht.
Sonst wären wir ja nicht hier, in dieser echt vorbildlichen Reha für krebskranke Jugendliche. Das „echt vorbildlich“ müsst ihr übrigens ohne Nebenbetonung hören, also, ihr dürft keine Ironie oder so was ähnliches beimengen. Unsere Anstalt war wirklich echt vorbildlich. Einige von uns hatten es hier besser, als sie es je gehabt hatten in ihrem Leben, größere Zimmer, besseres Essen, modernere Bäder. Trotzdem fühlten wir uns hier eingesperrt; nicht nur wegen der Langeweile, die hier manchmal herrschte wie ein unerbittlicher Diktator.
Mir persönlich – ich heiße übrigens Meyer, ganz schlicht Meyer und bin derjenige, der Euch diese Geschichte erzählt – also, mir persönlich kam dieser Aushang sehr gelegen, mit dem dieser Adrian, ein Sonderling ersten Grades, uns alle zusammengeführt hat.
„Die alten Religionen sind alle Mist, wir gründen eine Neue! Wer macht mit?“
Solche Zettel hingen plötzlich überall in der Anstalt rum, in der Kantine, an der Eingangstür des Psychologischen Dienstes, sogar an der Linde in unserem Garten (oder soll ich besser Park sagen?)
Und wisst Ihr, wer alles mitmachte?
Johanna machte mit! Und nochmal Johanna und an dritter Stelle auch Johanna, Johanna for ever also; vier andere machten auch mit, vier andere, die auch alle ihre Vor- und Nachzüge hatten. Erzähl ich Euch später von!
Vorläufig langt es, wenn Ihr Euch merkt: Johanna! Adrian der Sonderling, Tischlerlehrling Meyer der Erzähler und natürlich solltet ihr Euch merken:
Ewig braucht doch keiner!“