Margit Grüger

„Undinen“

Undine V
Neue Farbholzschnitte

1. Juli bis 28. September 2014

 

Nachlese


Die Rückmeldungen unserer Gäste zur Vernissage am 1. Juli mit Margit Grüger und ihren „Undinen“ haben uns sehr erfreut. Lutz Ackermann hat durch eine launige Eröffnung und mit einem kleinen Exkurs zum Begriff der Undine wunderbar auf den Abend eingestimmt: „Nach Paracelsus handelt es sich bei der Undine um ein Elementarwesen, welches der mythologischen Gattung „Nymphe“ angehört und das Element Wasser verkörpert. Gewöhnlich entdeckt man sie in Waldseen oder Wasserfällen.“ (Quelle: Wikipedia). Die eindrucksvolle Lesung von Ingeborg Bachmanns Erzählung “Undine geht” durch die Schauspielerin Barbara Frey öffnete den Blick auf das geheimnisvolle Leben der Undinen. Während man der Geschichte lauschte und die ausdruckstarken Bilder an den Wänden auf sich wirken ließ, konnte man leicht abtauchen in das Universum der Undinen. Kommen Sie vorbei und lassen Sie sich von den Bildern verzaubern.

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Eröffnungrede zur Ausstellungseröffnung von Herrn Dr. Lutz Ackermann

Sehr verehrte Frau Binger, liebe Kunstfreundinnen und Kunstfreunde, liebe Gäste aus nah und fern.
Nach dem erst in der Verlängerung durch die deutsche Mannschaft gegen das tapfer  kämpfende Algerien gewonnenen Achtelfinale Nr. 6 möchte ich Sie zwischen Achtelfinale 7 und Achtelfinale 8 der diesjährigen Fußball-WM herzlich begrüßen zur heutigen Ausstellung mit Werken von Margit Grüger zum Thema „Undinen“.
Geht Ihnen das auch so, dass Ihnen der Fußball langsam auf den Keks geht? Ich freue mich jedenfalls schon jetzt auf das Endspiel am 13. Juli und die fußballterminliche Ruhe danach.
Ich hoffe, dass Sie Ihren Kreislauf durch Flüssigkeitsaufnahme nachhaltig gestärkt haben, denn bei meiner letzten Eröffnungsrede für Margit Grüger im Gründungsgebäude der Deutschen Bank Unter den Linden erlitt einer der Gäste einen Kreislaufkollaps. Daher werde ich mich heute kürzer fassen, wobei Sie jetzt bitte keinen kunstwissenschaftlichen Vortrag von mir erwarten…
Denn ich bin pensionierte Strahlenschutzphysiker, wobei ich das Glück hatte, in meiner Freizeit in den Räumen meines Arbeitgebers am Kurfürstendamm zahlreiche Ausstellungen, darunter 2 mit Margit Grüger, zu organisieren und zu eröffnen.
Margit Grüger – die zarte Person, die so sehr den zarten Gestalten aus ihren Werken ähnelt, kam 1968 nach Berlin und studierte in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, wo sie 1981 im Fach Freie Graphik diplomierte. Sie vertiefte ihr Studium als Meisterschülerin an der Akademie der Künste der DDR bei Werner Stötzer, einem der renommiertesten ostdeutschen Bildhauer, der viele Skulpturen für den öffentlichen Raum schuf, aber auch z. B. an der Umsetzung eines für mich sehr eindrucksvollen Films von Konrad Wolf mit dem Titel „Der nackte Mann auf dem Sportplatz“ maßgeblich beteiligt war. Die Ausbildung bei Werner Stötzer hinterließ ihre Spuren, und wer Margit Grüger in Berlin-Französisch Buchholz besucht, wird bereits im Garten des Grundstücks von einer ständigen Skulpturenausstellung begrüßt, aus der sie uns heute auch eine Kostprobe – die lächelnde Undine – einen Bronzeguss aus dem Jahr 2014 zeigt. Frau Binger und ich konnten uns vor ein paar Tagen vor Ort von der Vielfalt der Grügerschen Skulpturenwelt überzeugen, wobei uns die Hauskatze, die auch in Margits Arbeiten auftaucht, aufmerksam begleitete und um Streicheleinheiten warb.
Mit dem Thema der Undine beschäftigt sich Margit Grüger schon seit längerem. Angeregt wurde sie durch eine der bekanntesten Erzählungen der österreichischen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann, die in ihrem ersten Erzählband „Das dreißigste Jahr“ (1961) die Erzählung „Undine geht“ als abschließenden Text vorstellte. Die Schauspielerin Barbara Frey wird Sie nach diesen Eröffnungsworten mit einer diesbezüglichen Lesung erfreuen. Um Sie auf das Thema der heutigen Ausstellung einzustimmen, möchte ich mit einem kleinen Exkurs zum Begriff der Undine beginnen.
Nach Paracelsus handelt es sich bei der Undine um ein Elementarwesen, welches der mythologischen Gattung „Nymphe“ angehört und das Element Wasser verkörpert. Gewöhnlich entdeckt man sie in Waldseen oder Wasserfällen. Undinen bzw. Wassernymphen im Allgemeinen haben bezaubernde Stimmen, welche gelegentlich über dem Wasser vernommen werden können. Meist treten sie als dienende Begleiterinnen von Göttern in Erscheinung. Seenymphen ertränken gewöhnlich ihre Geliebten. Sie ziehen sich selbstständig ins Wasser zurück, wenn man sie in einem Boot auf einem beliebigen Gewässer erzürnt, wobei dieses Boot auch nicht mehr aus eigener Kraft an Land zurückkehren kann. Der gleiche Effekt wird erzielt, wenn man eine Undine ins Wasser wirft.
Die Undine bekommt erst dann eine Seele, wenn sie sich mit einem Menschen vermählt. Wie alle Nymphen ist sie zwar nicht unsterblich, hat aber eine höhere Lebenserwartung als gewöhnliche Sterbliche. Gebiert die Undine aus einer Ehe mit einem Sterblichen ein Kind, erhält sie mit diesem eine Seele und verliert ihre Unsterblichkeit. Dieser Aspekt führte zu dem populären Motiv, das häufig in der Romantik und tragischen Literatur Verwendung fand, so z. B.

–      1811 in der Märchennovelle „Undine“ von Friedrich de la Motte Fouqué,
–      1823 in „Rusalka“ von Puschkin,
–      1837 in dem Märchen „Die kleine Meerjungfrau“ von Hans Christian Andersen, die auch als Skulptur als Wahrzeichen von Kopenhagen bewundert werden kann.

Aber auch in Kompositionen wie z. B.
–      1845 In der Oper „Undine“ von Albert Lortzing oder
–      1901 in der Oper „Rusalka“ von Antonin Dvorak

stand die Figur der Undine im Mittelpunkt. Es verwundert also nicht, dass bei so viel Geheimnisvollem eine Künstlerin wie Margit Grüger sich dem Thema der Undine widmet. Sie verwendet dabei verschiedene Techniken und zeigt uns heute hauptsächlich Holzschnitte als grafische Technik, die es ihr ermöglicht, ihre Ideen sofort in Holz zu schneiden, zu ritzen, zu experimentieren und schließlich zu drucken. Sie genießt die Spannung, wenn sie das Papier vorsichtig von dem Druckstock abzieht und dann das Ergebnis in ihren Händen hält, das überraschend, aber auch enttäuschend ausfallen kann und damit aber auch zum Weiterarbeiten, zum weiteren Experimentieren motiviert. Dabei spielt gerade bei dem Thema der Undinen das Wasser eine wesentliche Rolle, das schwer zu fassen ist, zumal das Material Holz zur Konzentration auf das Wesentliche, zur Reduzierung auf das Symbolhafte zwingt.
Schauen Sie sich also bitte aufmerksam die hier gezeigten Arbeiten von Margit Grüger an und nehmen Sie sich bitte dazu das Werkverzeichnis, um einerseits die Titel nachzuempfinden und anderseits auch, um Ihre Kauflust anzuregen. Dabei sind Sie eingeladen, u. a. lockende, ruhende, beglückte, beseelte, verlassene und trauernde Undinen in der Büchergilde aufzuspüren, aber auch Tanzszenen, mit denen sich Margit Grüger ebenfalls auseinandersetzte und dabei auf den Spuren des berühmten polnisch stämmigen russischen Ballettänzers und Choreographen Vaslav Nijinsky wandelte. Aber das ist eine andere Geschichte, und ich wollte mich ja kurz fassen…
Abschließend möchte ich mit einem Zitat von Heide Damaschun enden, die in einer früheren Ausstellung die Kunst von Margit Grüger in der Büchergilde am Wittenbergplatz wie folgt charakterisierte: „Ihre Gestalten sind nachdenklich, traurig und einsam, anmutig und demütig, zart, zerbrechlich und verletzlich. Zugleich strahlen sie Stärke und Selbstbewusstsein aus. Doch es bleiben Zweifel, Geheimes, Unergründliches und Mystisches sind nicht zu übersehen…“
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen einen anregenden Abend mit der Kunst von Margit Grüger und mit der nun folgenden Lesung von Barbara Frey.

Ein Statement von Margit Grüger zu ihren Arbeiten

Undinen ohne Ende

Die grafischen Techniken interessieren mich seit Beginn meiner künstlerischen Arbeit. Der Holzschnitt bietet in der technischen Handhabung die freieste Möglichkeit meine Ideen sofort in Holz zu schneiden, zu ritzen, zu experimentieren und schließlich zu drucken. Die Spannung ist unbeschreiblich, wenn man das fest an den Druckstock angepresste Papier vorsichtig abzieht und in den Händen halten kann. Überraschung, Enttäuschung, Freude sind möglich, aber auch der unbedingte Wille zum Weiterarbeiten, Weiterexperimentieren, Kämpfen…

Ein Motiv immer wieder zu variieren reizt mich bei dieser Technik sehr. Daher gibt es auch fast nur Unikate. Das Thema – Undinen – verlangt geradezu unterschiedliche Phasen des nicht fassbaren und nicht eindeutig farblich bestimmbaren Elements Wasser.

Die Holzschnitte entstehen in enger Bindung zur Margit GrügerMalerei. Die Motive und Kompositionen verflechten sich, wobei das Material Holz eine eigene, andersartige Ausdrucksweise hat.

Der Widerstand des Materials zwingt zur Konzentration auf das Wesentliche, die Reduzierung auf das Symbolhafte. Diese, den eigenen Gesetzen unterworfene Sprache, ist für mich das Interessante am Holzschnitt.

Das Thema – Undinen –, angeregt durch Ingeborg Bachmanns Text Undine geht, versuchte ich, ob gemalt, radiert, in Holz geschnitten, als Collage oder Mixed Media, zu vertiefen.

Da sich jedoch Undinen schwer fassen lassen werde ich mich auch weiterhin mit ihnen beschäftigen.

 VITA

1946 in Cainsdorf/Zwickau geboren
1963-1965 Lehre als Schrift- und Werbemalerin, zeitgleich Abendstudium an der Mal- und Zeichenschule Zwickau bei Prof. Carl Michel
1968 Umzug nach Berlin
1968-1971 Studium an der Fachschule für Werbung und Gestaltung Berlin-Oberschöneweide, Diplom-Designerin
1971-1976 Arbeit im Beruf
1974-1976 Abendstudium an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, Fachbereich Grafik
1976-1981 Direktstudium ebenda, Diplom Freie Grafik
1982-1983 Fördervertrag des Magistrats von Berlin
1983-1986 Meisterschülerin an der Akademie der Künste der DDR bei Werner Stötzer
Beginn der bildhauerischen Tätigkeit
2003 Sechs Gedichte in “Das Gedicht lebt!“, Band 4, Anthologie ausgewählter zeitgenössischer Dichterinnen und Dichter des 3.Jahrtausends, R.G. Fischer Verlag Frankfurt am Main
Zahlreiche Ausstellungen im In- und AuslandStudienaufenthalte: Niederlande, Italien, Kalifornien, New York, Norwegen, Schweiz, Frankreich, Usbekistan, SpanienArbeiten in öffentlichen und privaten SammlungenLebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin in Berlin (Malerei, Grafik, Skulptur, Fotografie, Lyrik und Prosatexte)