Gunda Jakoby

00J140830D007Blume

Landschaften und Zeichnungen
Pastellkreide und Feder

Ausstellung vom 13.10. bis 31.12.2014

Vernissage 16. Oktober um 20 Uhr

Die Künstlerin ist anwesend.

Nachlese

 

Sicher waren viele unserer Gäste von den unterschiedlichen Arbeiten der Künstlerin überrascht. Die Ausstellung zeigt einerseits farbenprächtige, stimmungsvolle Landschaften und andererseits ausdrucksstarke, bewegende Federzeichnungen von Frauen und Geschichten aus dem Konzentrationslager Ravensbrück. Frau Dr. Sabine Arend, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück erläuterte in ihrem Vortrag die langjährige Auseinandersetzung von Gunda Jakoby mit diesem Thema. Wir danken Frau Dr. Arend für die unten beigefügte Einleitung. Es lohnt sich, diese eindrucksvollen Arbeiten anzusehen.

Eine kleine Kostprobe zeigen die Fotos von Rita Scharf.

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Sehr geehrte Frau Jakoby,
Sehr geehrte Frau Binger,
Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich darf Ihnen zuerst die besten Grüße der Leiterin der Mahn‐ und Gedenkstätte Ravensbrück Dr. Insa Eschebach zu dieser Ausstellungseröffnung übermitteln, für die ich heute stellvertretend hier bin. Mein Name ist Sabine Arend und ich leite die Museologische Abteilung der Gedenkstätte.
Im Konzentrationslager Ravensbrück, ca. 80 km nördlich der damaligen Reichshauptstadt, waren zwischen Mai 1939 und April 1945 120.000 Frauen und Kinder aus über 30 Nationen und etwa 20.000 Männer inhaftiert. Etwa 28.000 von ihnen wurden ermordet oder starben an den katastrophalen Existenzbedingungen, an Hunger, Entkräftung und durch Krankheit. Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten hat den gesetzlichen Auftrag, „an Terror, Krieg und Gewaltherrschaft zu erinnern, die Auseinandersetzung der Öffentlichkeit mit diesem Thema zu fördern und ein würdiges Gedenken der Opfer und Hinterbliebenen an die Verbrechen der Gewaltherrschaft zu ermöglichen.“ In diesem Anliegen wissen wir uns mit vielen bürgerschaftlichen Institutionen und Initiativen sowie vielen vielen einzelnen Menschen in ganz Europa verbunden.
Dazu gehört auch die Künstlerin Gunda Jakoby, die den Opfern des KZ Ravensbrück mit ihren Federzeichnungen ein Denkmal setzen, sie aus der Vergangenheit und dem drohenden Vergessen holen will mit künstlerischen Mitteln. Die Porträts der Ravensbrückerinnen gehören in eine Serie von Frauenporträts, die Gunda Jakoby über bedeutende Frauen, die viel bewegt und in der Gesellschaft Wichtiges geleistet haben, begonnen hat, eine Serie von Frauen, die trotz ihres Wirkens bislang zu wenig Beachtung in der öffentlichen Wahrnehmung finden.
Für die heute zu eröffnende Ausstellung hat die Künstlerin zwei Frauenporträts ausgewählt: die Porträts von Geneviève de Gaulle‐Anthonioz und Sidonie Héllenon. Geneviève de Gaulle‐Anthonioz, im Zweiten Weltkrieg im französischen Widerstand aktiv und Nichte von Charles de Gaulle, ist in Frankreich sehr bekannt und wird im Mai nächsten Jahres in die französische Ruhmeshalle, das Panthéon in Paris, aufgenommen. In Deutschland hingegen kennt ihren Namen kaum jemand.
Die zweite Porträtierte, Sidonie Héllenon, ist eine Kunstfigur. Die Zeichnung beruht auf dem Roman von Michèle Maillet „Schwarzer Stern“, in dem die Autorin, basierend auf Zeugnissen ehemaliger Ravensbrückgefangener, das Leben einer „schwarzen Frau“ im Lager, rekonstruiert hat. „Schätzungen zufolge kamen 2000 schwarze Frauen und Männer aus Deutschland und den
besetzten Ländern in Konzentrationslagern und anderen Internierungslagern ums Leben.“(1) Über Farbige Gefangene im KZ Ravensbrück ist kaum etwas bekannt, die Forschungen sind hier erst noch zu leisten. Wir wissen zwar, dass sechs Frauen mit ägyptischer Staatsangehörigkeit im Lager waren, außer über Nelli Hury(2) ist über sie aber nichts Näheres bekannt.
Die Porträts von Geneviève de Gaulle Anthonioz und Sidonie Héllenon können als historische Biographien gelesen werden. Goethe hat es als Hauptaufgabe der Biographie definiert, den „Menschen in seinen Zeitverhältnissen darzustellen.“(3)
Die Zeichnungen von Gunda Jacoby sind entsprechend vielschichtig. Sie zeigen die Porträtierte zwar zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt, in einem bestimmten Lebensalter, aber die Porträts sind eingebettet in eine Vielzahl von Bezügen. Erlebte Szenen, Gedanken, wichtige Orte sind visualisiert und bilden ein Kaleidoskop der Biographie. Dabei ist es ihr auch immer wichtig, die Frauen nicht nur als Opfer zu zeigen, zur Zeit ihrer Haft, sondern als Handelnde, sich Engagierende und ihr Wirken in der Gesellschaft nach dem Krieg. Wir haben es nicht mit einer entsprechend der Chronologie erzähltem Leben zu tun, sondern mit einem verdichteten Leben, deren verschiedenen Stationen und Gefühle parallel, gleichsam synchron dargestellt werden.
Im Mittelpunkt steht jeweils eine Frau, die eine historische Bedeutung hat. Sie wurde ausgewählt, weil sie zu einer der 120.000 Frauen gehörte, die im KZ Ravensbrück inhaftiert waren. Sie steht einerseits für sich selbst ‐ ein konkretes Schicksal kommt uns im Bild zu Geneviève de Gaulle entgegen ‐ und andererseits steht sie repräsentativ und damit paradigmatisch für KZGefangenschaft ‐ so besonders in der Zeichnung zu Sidonie Hellénon.
In der Federzeichnung zu Geneviève de Gaulle Anthonioz steht deren Haftzeit im Bunker in Ravensbrück (28.10.1944 ‐ 28.02.1945) im Zentrum der Darstellung. Die Zelle, in der sie in Isolationshaft gehalten wurde, war spärlich möbliert. Wir sehen einen kleinen Wandtisch mit Hocker unten rechts. Der Blick auf das vergitterte Fenster und die Fassade mit Fenstergittern dominieren im Bild. Oben rechts rauchende Schornsteine vom benachbarten Krematorium.
In ihrem Erinnerungen, 1998 unter dem Titel „La traversée de la nuit“ ‐ deutsch unter dem Titel „Durch die Nacht“ beschreibt de Gaulle ihre Zeit in der Zelle des Bunkers eindrücklich, ihre Angst, ihre Not. Sie habe sich gefühlt wie auf dem Grund eines Brunnens ‐ das vergitterte Fenster entfaltet einen Sog in das Bild, wie der Blick in die Tiefe eines Brunnens.
In der Federzeichnung zu Sidonie Héllenon sind Leben vor der Verhaftung und der Abtransport in die Gefangenschaft, Paradies und Hölle, Schöpfung der Natur und menschliches Werk gegenübergestellt. Aber auch das Paradies, im Falle der Protagonistin die Insel Martinique, ist nicht ungetrübt. Wir sehen einen Sklaven, der die Hände reckt, die Fesseln sind gebrochen. Hier wird auf die Kolonialgeschichte mit dem Sklavenhandel verwiesen einerseits und andererseits eine Passage im Buch aufgegriffen, wo der Protest der Sklaven der Ohnmacht der Abtransportierten im LKW gegenüber gestellt wird.(4) Soweit einige Hinweise zu den Bildern, die Sie nun eingeladen sind, selbst zu entdecken und zu lesen.
Ich möchte an dieser Stelle Frau Jakoby unseren großen Dank aussprechen für Ihr jahrelanges Engagement: Ihren Beitrag, die Gefangenen des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück vor dem Vergessen zu bewahren und ihnen Erinnerungszeichen zu setzen. Frau Binger danke ich, dass Sie diese Ausstellung möglich gemacht hat. Ich wünsche der Ausstellung viele Besucherinnen und Besucher und danke Ihnen allen für Ihr Interesse und Ihr Kommen. Und ich möchte Sie einladen, die Mahn‐ und Gedenkstätte Ravensbrück zu besuchen, den Ort, den die Federzeichnungen thematisieren.

(1) Michèle Maillet: Schwarzer Stern, Berlin 1994, Covertext.
(2) Am 1.3.1944 in Marseille verhaftet. Siehe die Angaben zu ihrer Biographie in der neuen Dauerausstellung „Das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück – Geschichte und Erinnerung“ der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück.
(3) Zitiert nach Olaf Hähner: Historische Biographik. Die Entwicklung einer geschichtswissenschaftlichen Darstellungsform von der Antike bis ins 20. Jahrhundert, Frankfurt u.a. 1999, S. 23.
(4) Maillet 1994, S. 110-111.

00J140830D022BlumeGunda Jakoby wurde 1949 in Dockendorf/Rheinland-Pfalz geboren. Nach dem Abitur studierte sie Freie Malerei, Graphik und Bühnenbild in Münster und Hamburg. Sie schloss mit der Diplomprüfung bei Bernd Damke das Studium 1975 ab. 1975 bis 1981 arbeitete sie als Kostüm- und Bühnen-Bildassistentin in Malerwerkstätten an verschiedenen Theatern in Deutschland, Frankreich und Österreich. Seit 1981 lebt sie in Berlin als freie Malerin. Mehr zur Künstlerin und ihren Arbeiten: http://www.gunda-jakoby.de/

Einführung: Frau Dr. Sabine Arend, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

Dr. Sabine Arend wird eine kurze Ansprache zu zwei Zeichnungen über ehemalige Ravensbrückerinnen halten und den Zusammenhang mit der Arbeit der Künstlerin über bedeutende Frauengestalten erläutern.